Gewalt an Schulen: Mädchen lernen Selbstverteidigung

Stille in der Turnhalle der Wolfgang Borchert-Schule. 23 Mädchen der siebten und achten Klassen blicken starr nach vorne. „Was tut ihr, wenn euch jemand auf dem Schulhof angreift?“, fragt Krav Maga-Lehrer Tino Enders. Immer noch Stille. Die meisten der Mädchen blicken nach unten. „Ich zeige euch was“, sagt Enders und zwinkert seinem Kollegen zu. Der packt ihn am Arm, Enders verpasst ihm sofort einen kräftigen Tritt und ist wieder frei. „Ist das nicht gefährlich?“, fragt eine Schülerin. „Wenn euch jemand auf dem Schulhof angreift, dann ist das auch gefährlich, und dann müsst ihr reagieren“, sagt Enders, der die jungen Mädchen für bedrohliche Situationen sensibilisieren möchte.

Gemeinsam mit den Kollegen seiner Kellinghusener Krav Maga Academy tourt er durch die Itzehoer Schulen. Anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November hatte Gleichstellungsbeauftragte Karin Lewandowski kostenlose Selbstverteidigungs-Kurse für Schülerinnen organisiert.

Das Interesse sei groß, sagt Ute Gravert, Sozialarbeiterin an der Wolfgang Borchert-Schule. Die Teilnahme für die Schülerinnen sei freiwillig, alle seien gekommen. Gravert weiß: „Gerade in den siebten und achten Klassen gibt es viele Konflikte.“ Mobbing und physische Gewalt seien vor allem unter Jungs keine Seltenheit. Doch auch Mädchen blieben nicht verschont. „Deshalb ist es wichtig, die Mädchen stark zu machen, damit sie sich helfen können“, sagt Gravert, die auch Sozialtraining in Kleingruppen für ausgewählte Schüler und Unterrichtseinheiten zur Gewaltprävention anbietet.

Bei den Mädchen ist inzwischen das Eis gebrochen: Sie laufen durch die Halle und spielen gegenseitig Angreifer und Verteidiger, um für den Ernstfall zu üben. Als Tino Enders Überraschungsangriffe startet, gelingt es den Mädchen schnell, sich aus seinem Griff zu befreien.

Das Selbstverteidigungssystem Krav Maga, das sich seit den 50er-Jahren in Israel verbreitete und mittlerweile weltweit im Militär als Nahkampftechnik gelehrt wird, setzt vor allem auf den Überraschungseffekt: Schnell zurückschlagen und den Angreifer erschrecken. „Natürlich seid ihr nach einem einmaligen Training noch keine Profis“, sagt Tino Enders an die Schülerinnen gewandt, „aber ihr werdet aufmerksamer.“

Autor: Michael Althaus
Quelle: Norddeutsche Rundschau vom 10. Oktober 2014
Fotos: Althaus und WBS

 

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